Biedermeier Möbel - Das Zeitalter und die Epoche Biedermeier (ca. 1815 bis 1848)
Als 'Biedermeier' wird der Zeitraum vom Ende des Wiener Kongresses im Jahr 1815 bis zum Anfang der Bürgerlichen Revolution im Jahr 1848 definiert. 1815 wurde in Wien der 'Deutsche Bund' - eine Vereinigung der 'souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands', des Kaisers von Österreich und der Könige von Preußen, Dänemark und der Niederlande - als Bestandteil einer neuen europäischen Friedensordnung proklamiert. 'Biedermeier' (oder auch Romantik) ist die kunst-, literatur- und kulturgeschichtliche Bezeichnung für den 'Vormärz'. Die Epoche Vormärz (oder auch 'Restauration') beschreibt die Zeit vom Wiener Kongress 1815 bis zur politisch-sozialen Märzrevolution im Jahr 1848. Dieses Zeitalter war politisch durch das Aufkommen von Liberalismus und Nationalismus, einem Klima der Verfolgung und Unterdrückung gekennzeichnet. Die langsam einsetzende Phase der Industrialisierung - als zögernder Übergang vom Agrarstaat zum Industriestaat - offenbarte wirtschaftlich häufig soziale Missstände. Die aufgrund der Strukturen bedingte Armut vieler Teile der Bevölkerung wurde zu einer charakteristischen Erscheinung dieser Zeit (Pauperismus).
'Biedermeier' ist die Bezeichnung für eine vornehmlich vom Bürgertum des deutschsprachigen Raums geprägte Lebensweise und einen Kunststil der Zeit von 1815 bis 1848. Als eine spätere Form des Klassizismus war der Biedermeier Stil in diesen Jahren vor allem in Deutschland, Österreich und Skandinavien präsent. Der Name 'Biedermeier' entstand aus der Verbindung von "Biedermann" und "Bummelmaier", zweier in der humoristischen, reich illustrierten deutschen Wochenschrift 'Fliegende Blätter' vorkommender Typen.
Nach Napoleons Niederlage in Waterloo im Juni 1815 und nach dessen Sturz war das Bürgertum durch die Neuordnung Europas im Wiener Kongress von der Politik weitgehend ausgeschlossen. Das Bürgertum zieht sich ins Private zurück - konzentrierte sich auf Geselligkeit innerhalb des Freundeskreises und auf gemütliche Häuslichkeit im Kreise der Familie. Zudem zeigt sich eine gesteigerte Verbundenheit mit Garten, Wald und Flur. Im Biedermeier hat die Erinnerung an die kulturelle Vergangenheit einen großen Stellenwert.
In Anbetracht der Verarmung Deutschlands durch die napoleonischen Kriege waren die finanziellen Möglichkeiten für Kunst und Kultur stark beschränkt. Dieser Aspekte spiegelte sich dementsprechend auch in der Ausstattung der eigenen Wohnräume wider. Aus dieser Einschränkung heraus entstand - getragen von dem Wunsch nach künstlerischer Schönheit - ein eigener Stil. Der Biedermeier Stil ist fast ausschließlich ein Innenausstattungs-Stil und Möbelstil. Möbel sind in der Biedermeierzeit funktionell und dienen nur eingeschränkt repräsentativen Zwecken.
Die Möglichkeit einer solch behaglichen und angenehmen Lebensführung hatten allerdings nur die gut bürgerlichen Kreise dieser Epoche. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war geprägt von zahlreichen und weltverändernden technischen Erfindungen. Die Zeit der Frühindustrialisierung - die in etwa mit der Epoche des Biedermeier einhergeht - im Übergang zur 'Industriellen Revolution' mit Beginn der Bürgerlichen Revolution 1848 führt im rasantem Tempo in die Moderne. Der Großteil der Menschen lebte im Elend, dem sogenannten 'Pauperismus'. Wenn jemand eine Anstellung hatte, dann bedeutete dies zumindest sechs Tage zu je zwölf Stunden Arbeit in der Woche.
Im typischen Biedermeier Möbel Stil zeigt sich die idealisierte, nach innen gekehrte Vorstellung einer 'heilen Welt'. Die Einrichtung der eigenen vier Wände spiegelt den Wunsch nach der Idylle eines gemütlichen Heims wider. Die Einrichtung und Möblierung des Wohnraums ist praktisch und häuslich gestaltet - dem bürgerlichen Lebensstil angepasst. Das Zimmer in der Zeit des Biedermeier diente nicht mehr der Repräsentation, sondern dem familiären Zusammenleben.
Biedermeier Möbel zeichnen sich durch klare Strukturen mit wenigen, schlichten Zierelementen aus. Die Formensprache der Möbel des Biedermeier ist schlicht und klar. Gezeichnet durch stark vereinfachte klassizistische Elemente mit wenig oder keinem Dekor tritt die Maserung des Holzes ausgesprochen prägnant in den Vordergrund. Möbel der Biedermeierzeit sind schlicht gehalten, praktisch und dennoch harmonisch in den Proportionen - und zudem handwerklich meist sehr gut gearbeitet.
Nach Vorbildern aus England entstanden die ersten Möbel dieser Art in Wien. Besonderes Augenmerk wurde bei der Herstellung auf die handwerkliche Qualität gelegt. Die großen und glatten Oberflächen betonen ausgesprochen intensiv die natürliche Wirkung der Holzmaserung. Diese Flächen wurden meist poliert, um die Maserung noch weiter in den Blick des Betrachters zu rücken.
Bis auf die Lyraform als ein beliebtes Ziermotiv sind wenig klassizistische Ornamente verwendet worden. Das Lyra-Motiv (Leier, Saiteninstrument) wurde neben der Ausbildung als Ornament beispielsweise bei Tischen als Verbindung zwischen Tischplatte und Basis in Form einer Lyra gestaltet - wie auch bei Rückenlehnen von Stühlen. Die verwendeten Beschläge waren oft sehr schlicht und unauffällig gehalten.
Der Tisch mit einer meist runden oder ovalen Platte und schwerem Mittelfuß war ein wichtiges Möbelstück der Biedermeierzeit. Ebenso die Biedermeier Kommode in ihrer klassizistisch schlichten Form mit drei tiefen Schubladen im Unterteil und einer flachen Schublade im leicht vorspringenden Oberteil. Häufig an den Seiten von zwei schwarz gebeizten Säulen gesäumt. Darüber hinaus war der Vitrinenschrank mit Glastüren im Oberteil - oft auch als Eckschrank ausgeführt - sehr beliebt. Funktionale Möbel wie Sekretäre, zierliche Stühle, Sofas und diverse Kleinmöbel für spezielle Tätigkeiten wie beispielsweise Nähtischchen waren gefragte Möbel für die Einrichtung eines Biedermeierzimmers.
Ab 1830 verliert das Biedermeier im Übergang zum Spät-Biedermeier zunehmend an Schlichtheit. Ansätze des auf diese Epoche folgenden Historismus bis hin zur Gründerzeit werden zunehmend deutlicher.
Eine Sonderstellung in der Epoche des Biedermeier und der Folgezeit nimmt der Kunsttischler Michael Thonet ein. In Boppard am Rhein experimentierte er bereits in seiner ersten Werkstatt mit Bugholztechniken. Um 1830 entstanden dann die ersten Entwürfe mit gebogenem Schichtholz, die dann hin zum sogenannten 'Wiener Kaffeehaus-Stuhl' von 1859 weiterentwicklet wurden.